Wächter

Immer wieder werde ich gefragt: Was kann man tun? Oder es teilen mir Menschen mit, was sie tun, um an der Veränderung der derzeitigen katastrophalen Verhältnisse mitzuarbeiten. Meistens ist das vor dem Hintergrund der Geisteswissenschaft purer Aktionismus.

Wer ein Haus baut ist nicht so dumm, das erste Stockwerk zu bauen bevor er das Fundament erstellt hat. Wenn es um Geistiges geht tun dies aber viele Menschen: sie treten in die Welt, um in ihr zu wirken, bevor sie die Grundlage geschaffen haben, die überhaupt die Voraussetzung dafür ist, um wirken zu können. „Verstehen, darauf kommt es zunächst in der Gegenwart an. Tun, dazu wird erst die Gelegenheit kommen, wenn die Menschen sich wirklich angestrengt haben zu verstehen.“ Rudolf Steiner in „Entwicklungsgeschichtliche Unterlagen zur Bildung eines sozialen Urteils“ GA 185a, Seite 178 in der Ausgabe von 2004. Ich werde jetzt aus meiner Kenntnis der Anthroposophie versuchen diese Worte zu verdeutlichen. Aus den Ausführungen, welche ich in „Der neue Sakramentalismus“ Pelagius Heft LXII dargestellt habe, ist zu entnehmen, daß es der Geist ist welcher durch uns wirkt. Wir sind so etwas wie ein Rohr und müssen dafür sorgen, daß der Fluß der geistigen Wirksamkeit durch uns immer besser stattfinden kann. Wir müssen uns also erst selbst zubereiten und verändern, bevor wir die Möglichkeit erhalten, dazu beizutragen andere zu verändern. Habe ich an mir ausreichend gearbeitet, so erkennt mein Engel das und er trägt mir nun aus der Zukunft die Aufgaben zu, für die er mich für reif hält und ich muß die Geistesgegenwart aufbringen, diese zu erkennen und zu ergreifen. Ich werde also dann von ihm, vom Leben, auf die Probe gestellt. Jeder Mensch lebt in einem karmischen Zusammenhang und nur in diesem kann er wirken. Ich kann nicht hergehen und die FED verstaatlichen, wie Donald Trump dies nun tat, ich kann auch nicht mit Panzern nach Brüssel oder nach Berlin fahren, um das Bundeskanzleramt zu beschießen, um es einmal drastisch auszudrücken, auch wenn uns immer wieder solche Phantasien heimsuchen. Ich kann nur innerhalb meines karmischen Zusammenhangs wirken. Aber dadurch, daß ich die Inhalte der Anthroposophie mir so zu eigen mache, daß sie verändernd an meiner Wesenheit wirken können, erweitere und verändere ich auch meinen karmischen Zusammenhang. Es sind mir dadurch unglaubliche Möglichkeiten in die Hand gegeben, wenn ich die Geduld, die Bescheidenheit und den nötigen Willen aufbringe, um diesen Weg zu gehen, der der einzig wirksame ist.

Dem steht ein schwer zu überwindendes Vorurteil des Materialismus entgegen, auf das wird gleich noch zurückkommen werden. Das Vorurteil, daß Gedanken unwirklich sind. Nun, wir haben ja bei Rudolf Steiner gelesen, daß dem nicht so ist, aber haben wir diese Theorie so verinnerlicht, daß wir auch dementsprechend handeln? Dazu gehört sehr viel Wille und Bewußtsein und nicht zuletzt Selbsterkenntnis.

Aber zuerst zu der anderen Aussage die in dem Zitat ausgesprochen wird. „Anthroposophische Geist-Erfassung soll nicht bloß sein eine theoretische Weltansicht, sondern sie soll sein ein Lebensinhalt und eine Lebenskraft. Und nur, wenn wir uns in die Lage versetzen, unsere anthroposophische Weltauffassung in uns so zu erkraften, daß sie wirklich lebendig in uns wird, dann erfüllt sie eigentlich ihre Aufgabe. Denn wir sind dadurch, daß wir unsere Seelen vereinigen mit der anthroposophischen Geisteserfassung, in einer gewissen Beziehung zu Wächtern über ganz bestimmte, bedeutungsvolle Entwicklungsvorgänge der Menschheit geworden.“ Das Zitat von Rudolf Steiner ist dem Zyklus „Der Tod als Lebenswandlung“ GA 182, Seite 138 entnommen. Es steht übrigens in dem Vortrag „Was tut der Engel im Astralleib?“, den bestimmt viele von Ihnen kennen. Es lohnt sich jedoch diesen wiederum sich vorzunehmen, da er durch die Ereignisse der neueren Zeit an Bedeutung gewonnen hat und neu zu uns sprechen kann.

Ich betrachte es inzwischen als eine sakrale Handlung, wenn ich mich an den PC setze, um zu sehen was in der Welt vorgeht und die Ereignisse mit geisteswissenschaftlichen Aussagen von Rudolf Steiner in Zusammenhang bringen kann. Es sind die Feierstunden des Tages, das Wächteramt des Anthroposophen. Die Ereignisse verlieren durch die Anthroposophie für mich immer mehr ihren Schrecken, ich/wir können der Gottheit über die Schulter schauen und an ihrem Wirken teilhaben. Wir leben als Menschen der Gegenwart in der Welt der Wunder und der Katastrophen. Die Welt der Notwendigkeit, die Welt von Ursache und Wirkung ist die materielle, die irdische Welt, diese zerfällt nun, in ihr finden die Katastrophen statt. Die Welt der Freiheit und der Wunder ist die Welt, in der das Geistige zur Wirksamkeit kommt. An Ihnen liegt es nun, ob sie mehr an den Katastrophen teilnehmen müssen und an ihnen leiden werden oder ob sie die Wunder der Welt wahrnehmen und an ihnen teilhaben können.

Wenn wir uns nun bewußt machen, daß Gedanken Realitäten sind, größere Realitäten als ein Feld zu pflügen oder Holz zu hacken, so nehmen wir als Wächter an diesen Geschehen nicht nur als Betrachter teil. Implizit wird die Realität der Gedanken in dem obigen Zitat ausgesprochen, denn wenn sie unwirklich, bloß Bilder wären, wie könnten sie uns dann Lebenskraft geben? Schaffen wir es die richtigen, die realen Gedanken mit dem zeitgeschichtlichen Geschehen zu verbinden, so beeinflussen wir dieses. Diese realen Gedanken werden im Weltenäther eingeschrieben und schaffen dadurch die Grundlage für das weitere Geschehen, im Guten wie im Schlechten.

„Anthroposophische Gesinnung setzt voraus, daß wir uns klar darüber sind, daß unsere Gedanken und Vorstellungen, um sich zu verwirklichen, noch andere Wege finden müssen, als dasjenige ist, was durch unsere sinnenfälligen Taten, durch unsere Taten in der Sinnenwelt geschieht. In der Erkenntnis dieser Lebensnotwendigkeit liegt schon die Aufforderung, daß der Anthroposoph in einer gewissen Weise sich beteiligen müsse an dem Wachen über die Zeichen der Zeit. Es geschieht in der Weltentwickelung gar manches; dem Menschen, insbesondere dem Menschen unseres Zeitalters obliegt es, sich wirkliches Verständnis zu verschaffen von dem, was in der Weltentwickelung, in die er selbst hineingestellt worden ist, geschieht.“ Auf derselben Seite wie das obige Zitat.

Wir leben in einer martialischen Zeit und so will ich auch ein martialisches Bild gebrauchen, um mich verständlich zu machen: Sie haben, wenn Sie es wirklich schaffen geistige Gedanken in ihrer Realität zu ergreifen, ein Kiste Sprengstoff zur Verfügung und Sie verstoßen dadurch gegen kein Gesetz, niemand kann sie deswegen vor den Kadi zerren. Die Sprengkraft dieses Sprengstoffes können sie bis ins Unendliche steigern, wenn es Ihnen gelingt sich immer besser in das Geistwirken hineinzufinden. Und Sie zerstören nichts mit diesem Sprengstoff, im Gegenteil, Sie beseitigen das Zerstörerische und arbeiten am Aufbau einer neuen, zukünftigen Welt.

So kann sich jeder Mensch, der noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, auch wenn der Körper schon am verfallen ist, zum Frontsoldat im großen Geisteskampf der Gegenwart machen.

Rüdiger Keuler, April 2020